47mm PAG Böhler: Niederlande @ 1940 #6

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Im Jahr 1933 erkannte die Armee der Niederlande, dass man auf Dauer eine wirksame Waffe gegen feindliche Panzer brauchen würde. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte das 57mm Infanteriegeschütz (6-veld Krupp) diese Aufgabe inne. Sie war jedem Infanterieregiment zugeteilt. Darüber hinaus war die Standadrd 75mm Krupp Feldkanone mit panzerbrechenden Geschossen ausgestattet. Aber die letztere war sicher nicht die erste Wahl in der Panzerbekämpfung. Man war sich in der Armee der Niederlande bewusst, dass Panzerabwehrkanonen würden entwickelt werden müssen.

Die 47mm PAG Böhler

Die 47mm PAG Boehler war das Standard-Panzerabwehrgeschütz der Armee der Niederlande

Die 47mm PAG Boehler war das Standard-Panzerabwehrgeschütz der Armee der Niederlande

Eine ganze Reihe von Typen wurden getestet. Unter den Probanden befand sich auch die deutsche Pak 35/36 sowie das österreichische Fabrikat Böhler. Die letztere wurde schließlich ausgewählt. Ausschlaggebende Gründe waren der bessere Preis und die Tatsache, dass sie die Pak 35 ein wenig in ihren Leistungen übertraf. Die ersten Geschütze trafen im Jahr 1937 ein und bis Mai 1940 folgten etwa 380 Geschütze. Diese stammten teilweise auch aus Lizenzproduktion in den Niederlanden.

Die Böhler PAG war eine effektive Pak mit „Schmackes“. Man konnte sie in vielfältiger Weise einsetzen. Sie konnte sowowhl mit montierten Rädern in Stellung gehen als auch ohne diese. Die Räder konnten innert Sekunden demontiert werden und die Beine der Lafette konnten ei einem solchen Winkel gespreizt werden, dass die Pak in der Lage war, einen Winkel von 36° nach beiden Seiten zu bestreichen, ohne dass ein Stellungswechsel notwendig wurde. Darüber hinaus war die Silhouette der Pak sehr niedrig, so dass die Pak gegenüber einem Gegner nur wenig Angriffsfläche bot.

Die Böhler 47mmPak im Mai 1940

Die 47mm PAG Böhler war in ihrer Zeit eine hochwirksame Waffe.

Die 47mm PAG Böhler war in ihrer Zeit eine hochwirksame Waffe.

Als Munition konnte entweder eine HE-Sprenggranate gegen Weichziele oder eine AP Panzergranate geladen werden. Die panzerbrechende Granate konnte auf 200m immerhin 45 bis 50mm Panzerstahl durchschlagen. Auf 500m lag die Leistung noch bei 35mm Panzerstahl. Das war zu dieser Zeit eine hinreichende Durchschlagsleistung, um alle deutschen Panzer zerstören zu können.

Die Panzergranate würde die Panzerung durchschlagen und dann ihre Splitter im Innern verteilen. Die HE Sprenggranate war mit einem sehr empfindlichen Aufschlagzünder ausgestattet, der beim ersten Kontakt zündete und die Granate ihre gewohnte Schrapnellwirkung entfalten ließ. Standardmäßig wurde die 47mm PAG Böhler mit 80 panzerbrechenden und mit 20 Sprenggranaten ausgestattet.

Mangelndes Training der Bedienmannschaften und  eine zu geringen Ausstattung mit Munition engten die Wirkamkeit der 47mm PAG Böhler ein.

Mangelndes Training der Bedienmannschaften und eine zu geringen Ausstattung mit Munition engten die Wirkamkeit der 47mm PAG Böhler ein.

Die Waffe war sehr einfach und schnell zu bedienen und konnte mit einer gut trainierten Bedienmannschaft bis zu 15 Schuss pro Minute abgeben.

Die Waffe war im Einsatz auf der Erdlafette (ohne Räder) sehr stabil gelagert. Die Varianz in der Entfernung auf 2.000m war nur etwa 20m nach dem dritten Schuss. Die Seitenabweichung im gleichen Fall war vernachlässigbar.

Unglücklicherweise war es niederländischen Bedienmannschaften nur sehr selten gegeben, mit Gefechtsmunition zu üben. Geringe Munitionsbestände waren der Hauptgrund hierfür.

Die simple und effiziente Konstruktion der 47mm Pak Böhler ermöglichte es, dass diese innerhalb im Feld von 20 bis 30 Sekunden in Stellung gehen konnte.

Die simple und effiziente Konstruktion der 47mm Pak Böhler ermöglichte es, dass diese innerhalb im Feld von 20 bis 30 Sekunden in Stellung gehen konnte.

Die Panzerabwehreinheiten waren mit modernsten Zugmitteln ausgestattet. Hier kam beispielsweise der Van Doorne (DAF) Lkw zum Einsatz. Er konnte sowohl die 47mm PAG schleppen, als auch die Bedienmannschaft und die Munitionsausstattung. Da die PAG sehr einfach zu bewegen war (395 kg mit Panzerschild und 345 kg ohne diesen) konnte die PAG im Feld hantiert werden. Sie konnte innert 20-30 Sekunden in Stellung gehen.

Der Panzerschild für die 47mm PAG Böhler war etwas unpraktisch. Er hatte einen extrem ungünstigen Winkel von 45°. Verbunden mit der niedrigen Silhouette machte dies die Handhabung der PAG sehr unangenehm. In den meisten Fällen wurde die 47mm PAG Böhler daher ohne Panzerschild eingesetzt.

Die niederländischen Infanterieregimenter besaßen jeweils sechs Stück dieser Kanone.

Die Böhler 47mm PAG im Feldeinsatz

Zudem war die 47mm Pak Böhler auf ihrer Lafette absolut standfest.

Zudem war die 47mm Pak Böhler auf ihrer Lafette absolut standfest.

Im Winter 1940 bemerkten die Niederlande, dass sie doch vielleicht zu wenig Paks im Einsatz hatten. Der neue Oberbefehlshaber Winkelman gab daraufhin Anweisung, alle Paks innerhalb der Festung Holland einzusetzen. Die weiter außen gelegene Verteidigung wurde mit den älteren und eigentlich schon ausgedienten Infanteriegeschützen mit 57mm Kaliber (6-veld) und den noch älteren mit 84mm Kaliber (8-staal) und einigen wenigen der bereits verfügbaren Solothurn 2cm Panzerbüchsen ausgestattet.

Diese Geschütze konnten nur HE Sprenggranaten oder veraltete Panzergranaten mit einem Gefechtskopf aus gewöhnlichem Stahl verschießen. Alle diese Waffen konnten einem deutschen Panzer III oder Panzer IV nichts anhaben. Darüber hinaus waren diese Waffen langsam in der Bedienung, wiesen eine hohe Silhouette auf und waren starr montiert. Somit waren diese Geschütze völlig ungeeignet für Gefechte im modernen Bewegungskrieg. Die Einführung der Böhler PAG war im Mai 1940 noch im Gange, einige waren sogar noch in den äußeren Verteidigungsstellungen ausgelagert, in denen sich deutsche Truppen zeigten. Sie waren dort willkommene Abwehrwaffen.

Der Krieg im Mai 1940

Die Böhler PAGs erweisen sich als sehr effektiv in den heftigen Gefechten, speziell auf den Inseln von Dordrecht und Rotterdam. Die 9. Panzerdivision verlor durch die niederländischen Paks etwa 25 Panzer in Rotterdam und Dordrecht sowie eine unbekannte Zahl an gepanzerten Fahrzeugen. Unter den deutschen Verlusten waren auch einige der mittleren Panzer III und Panzer IV.

Die Erfahrungen mit den Böhler Paks waren generell sehr positiv. Dennoch wurde eine HEAT Hochexplosive Panzergrante vermisst, so dass ein Ziel oft zwei oder dreimal getroffen werden musste, bevor es außer Gefecht gesetzt war. Das fehlende Training der Bedienmannschaften für den Beschuss von beweglichen Zielen, insbesondere über große Distanzen gab ein Übriges. Nichtsdestotrotz bewiesen sich die Geschütze als der genau und schwer von Gegenfeuer zu treffen.

Die Knappheit von HE Sprenggranaten machte sich dann bemerkbar, wenn keine Panzer zur Bekämpfung vorhanden waren und stattdessen Infanterie angriff. Waffen mit flacher Geschossflugbahn sind im Allgemeinen wenig effektiv bei der Bekämpfung von Weichzielen im offenen Gelände. Das Fehlen oder der geringe Vorrat an HE Sprenggranaten machte sich vor allem im urbanen Straßenkampf bemerkbar. Dort hätten HE Sprenggranaten stärker Wirkung zeigen können, wenn diese in größeren Stückzahlen verfügbar gewesen wären.

Die Böhler Pak wurde auch von der russischen und von der italienischen Armee eingesetzt. Die Deutschen eroberten eine ganze Reihe von diesen Geschützen und verteilten diese an eigene Truppen und an Verbündete. Die Geschütze wurden als 47mm Pak 177 (ex Italien), Pak 188 (ex Niederlande) und Pak 196 (ex Russland) eingesetzt. Das Jahr 1942 brachte das Ende der leichten Paks, als die auftauchenden Kampfpanzer zunehmend stärkere Panzerungen aufwiesen und mehr und mehr Hohlladungsgeschosse eingesetzt wurden.

Technische Daten der 47mm PAG Böhler

Hersteller: Böhler, Österreich
Gewicht ohne Räderfahrwerk: 310 kg
Gewicht mit Räderfahrwerk: 345 kg
Gewicht mit Panzerschild: 395 kg
Geschützlänge: 3210 mm
Rohrlänge: 1850 mm (39 Kaliberlängen)
Rohrhöhe vom Boden: 603 mm
Kaliber 47 mm
maximale Erhöhung: 52°
Maximale Neigung: 10°
Seitenrichtbereich: 76°
Munition:
– AP Panzergranate 1,45 net
– HE Sprenggranate 2,45 net
Feuergeschwindigkeit: bis zu 15 Schuss pro Minute
V0 AP: 660 m/sec
V0 HE: 350 m/sec
Maximale Reichweite (HE): 6.000 m
Munitionsvorrat am Geschütz: 80 AP Panzergranaten, 20 HE Sprenggranaten
Durchschlagsleistung: 42-45 mm auf eine Distanz von 200 m, 30 mm auf eine Distanz von 500 m

Die Early-War-Freunde unter uns Modellbauern und Wargamern dürften sich über das Modell der 47mm PAG Böhler von EWM Early War Miniatures freuen.

Die Early-War-Freunde unter uns Modellbauern und Wargamern dürften sich über das Modell der 47mm PAG Böhler von EWM Early War Miniatures freuen.

Das Modell der 47mm PAG Böhler kommt als Zinn-Modell im Maßstab 20mm / 1:72.

Das Modell der 47mm PAG Böhler kommt als Zinn-Modell im Maßstab 20mm / 1:72.

Cannone da 47/32 M35

Einen kleinen Ausflug unternehmen wir jetzt noch nach Italien, denn die Cannone da 47/32 M35 basierte ebenfalls auf dem österreichischen Böhler Geschütz und wurde in Italien in Lizenz hergestellt. Sie wurde sowohl als Infanteriegeschütz als auch als Pak verwendet. Gegen leichte Panzer war sie sehr effektiv.

Das österreichische Unternehmen Böhler entwickelte diese Waffe und stellte sie auch her. In den Dreissiger Jahren erwarb Italien einige dieser Waffen von Böhler und begann sodann diese Waffe in Lizenz zu fertigen und weiterzuentwickeln. Die Cannone da 47/32 M35 war das Hauptgeschütz des mittleren Kampfpanzers M13/40, des mittleren Kampfpanzers M14/41 und testweise auch die des Panzerwagens Autoblinda AB 41 und des 47/32 Selbstfahrgeschützes. Der Kampfpanzer M15/42 erhielt eine leicht verbesserte Version des geschützes, die 47/40.

Die 47/32 wurde in zwei Versionen gebaut. Die erste wurde mit halbpneumatischen Scheibenrädern hergestellt. Die zweite Version (in 1939 mit dem Namen 47/32 mod. 39) mit verbessertem Rohr und Aufhängung. Einige Serien erhielten Leichtmetall-Räder mit halbpneumatischen Reifen. Um das Geschütz zu ziehen, wurden die Fiat-OCI 708 CM Zugmaschine und die L3 Tankette benutzt. Diese Pläne wurden jedoch aufgegeben, als es sich zeigte, dass das Geschütz oft an den Achs-Spindeln und an der Gabel brach. Seine ungewöhnliche Form brachte dem 47/32-Geschütz bei der Truppe den Namen „elefantino“ (kleiner Elefant) ein.

Die 47/32 war primär Pak. Wie auch immer wurde sie auch als Nahunterstüttzungswaffe herangezogen. Im Jahr 1940 war sie eine angemessene Waffe. Sie hatte in etwa die gleiche Durchschlagsleistung wie ihre Pendants: die britische 2-Pfünder-Kanone, die deutsche Pak 36, die russische 45mm-Kanone und sie übertraf die französische 25mm-Kanone. Allerdings waren ihre HE Sprenggranaten die am wenigsten effektiven, während die britische 2-Pfünder in ihrer Panzerabwehrrolle das Schlusslicht gab.

Ihre Hauptnachteile waren ihre Unzulänglichkeit als Lkw-gezogene Kanone sowie das Fehlen eines Schutzschildes. Das Versagen der italienischen Armee, eine stärkere Waffe herzustellen und in Stückzahlen auszuliefern, sorgte dafür, dass die 47/32 im Jahr 1942 noch immr im Frontdienst stand, ineffektiv gegen wesentlich verbesserte Feindpanzer, die sie zu Gesicht bekam.

Technische Daten der 47mm Pak 47/32

Kaliber: 47mm
Länge: 1,68m
Länge der Bohrung: 1,525m
Länge des Rohres: 1,33m
Travelling Weight: 315 kg (694.5 lb)
Gefechtsgewicht: 277 kg
Erhöhung: -15° bis +56°
Seitenrichtbereich: 62°
Mündungsgeschwindigkeit: 630 m/s für AP Panzergranaten, 250 m/s für HEAT Panzersprenggranaten
Reichweite: 7.000m – HEAT Panzersprenggranaten
Geschossgewischt: 1,44kg AP Panzergranate; 2,37kg HEAT Panzersprenggranate
Durchschlagsleistung AP Panzergranate: 58mm auf 100m, 43mm auf 500m

Die gleiche Waffe wurde in den Armeen von Österreich, China, den Niederlanden, Finnland, Rumänien, Estland, Litauen, Russland (erbeutete litauische Waffen) und der Schweiz benutzt.

Die Deutsche Wehrmacht erbeutete einige dieser Waffen während der Besetzung von Österreich und der Eroberung der Niederlande (47mm Pak 187(h)) und der Sowjetunion (47mm PaK 196(r)) und übernahm diese in ihre Dienste. Einige dieser Waffen wurden an Italien übergeben. Nach ihrer Kapitulation wurden sie erneut erbeutet mit dem italienischen Modell (47mm Pak 177(i)). Diese geschütze gingen in deutsche Dienste über und an die RSI (achsentreue italienische) Einheiten oder wurden an Kroatien gespendet.


Bildnachweis: © FrankM mit freundlicher Genehmigung des Cavaleriemuseum Amersfoort

Über den Autor

Sturmi ist passionierter Dioramen- und Modellbauer und Table-Top-Spieler. Seinen Einstieg fand er über das frühere Spielsystem "Behind-Omaha" von Samy, aktuell spielt er "Poor Bloody Infantry/PBI", "Geile Scheiße", "DBMM", "ARMATI", "SAGA" und "Bolt Action"

1 Kommentar

  1. Beim abgebildeten Geschütz handelt es sich nicht um ein niederländisches 4,7cm PAG, sondern um eine in der Schweiz produzierte 4,7cm Infanteriekanone Modell 1935/41.

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